





Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs enthält einige sinnvolle Regelungen, um Abmahnmissbrauch aus Gewinninteresse einzudämmen, die jedoch – vermutlich auch aufgrund des engen Zeitplans - nicht alle konsequent zu Ende gedacht wurden. Entgegen der Intention des Gesetzes wird es dadurch unseriösen Abmahnvereinen zukünftig noch leichter gemacht.
Das von der Bundesregierung im Gesetzentwurf genannte Ziel, missbräuchliche Abmahnungen nur um 50 Prozent zu reduzieren, ist insgesamt zu wenig ambitioniert. Dies bedeutet letztlich, die Hälfte des Rechtsmissbrauchs zu tolerieren. Die Durchsetzung von Rechtsnormen ist ihrer Natur nach eine hoheitliche Aufgabe, ihre Delegierung an private Akteure über das Instrument der Abmahnung enthebt den Staat nicht der Verantwortung zur Kontrolle und Verfolgung von Missbrauch.
Die folgenden Vorschläge werden den Zielerreichungsgrad des Gesetzes über eine vorgerichtliche Eindämmung von Abmahnmissbrauch wesentlich erhöhen und damit auch eine entsprechende Entlastung des Gerichtswesens nach sich ziehen.
I. Synchronisierung der §§ 13 Abs. 4, 13a Abs. 2 für Mitbewerber und qualifizierte Verbände zur Eliminierung finanzieller Anreize erforderlich
Problemstellung: Der Zielerreichungsgrad des Gesetzes wird primär davon abhängen, inwieweit es gelingt, missbräuchliche Abmahnungen vorgerichtlich zu verhindern. Denn die Haupt-Zielgruppe von Abmahnmissbrauch (branchenübergreifend Existenzgründer, Soloselbstständige und Kleinstunternehmen) können finanziell und organisatorisch einen Gerichtsprozess i.d.R. gar nicht bewältigen und unterzeichnen notgedrungen vorgerichtlich die geforderte Unterlassungserklärung.
Hingegen greifen die meisten Regelungen des Gesetzentwurfs erst dann, wenn es schon zu einem Gerichtsverfahren gekommen ist. Sie werden ihre Wirkung also in den meisten Fällen gar nicht entfalten können. Eine vorgerichtliche Eindämmung von Abmahnmissbrauch gelingt dann, wenn die finanziellen Anreize der Abmahner entsprechend verändert werden. Dies wird folgerichtig durch §§ 13 Abs. 4, 13a Abs. 2 UWG-RegE umgesetzt, wonach für die erste Abmahnung eines Verstoßes gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten (bei Kleinstunternehmen/Vereinen auch DSGVO-Verstößen) keine Abmahngebühren und Vertragsstrafen geltend gemacht werden dürfen.
Problematisch für die Zielerreichung des Gesetzes und unter rechtssystematischen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass die o.g. Regelungen nur für die Abmahnungen von Mitbewerbern gelten sollen, Wirtschaftsverbände davon ausgenommen sind . Auch für diese besteht – selbst bei möglicherweise gedeckelten Vertragsstrafen von 1.000 Euro – ein sehr hoher finanzieller Anreiz, diese immer gleichen, leicht zu recherchierenden Formfehler in Massen abzumahnen. Damit wird der erhoffte Effekt auf die Eindämmung von Abmahnmissbrauch zu einem großen Teil konterkariert.
Lösungsvorschläge:
· Analoge Ausweitung der entsprechenden Regelungen der §§ 13 Abs. 4, 13a Abs. 2 auf qualifizierte Wirtschaftsverbände.
· Alternativ: Für die entsprechenden Tatbestände (Informations- und Kennzeichnungspflichten, DSGVO-Verstöße) bei erstem Verstoß kostenlose Verwarnung, Vertragsstrafen fallen einem gemeinnützigen Zweck, in keinem Fall aber dem abmahnenden Verband zu.
II. Branchenbezug muss Voraussetzung für die Abmahn- und Klagebefugnis von qualifizierten Wirtschaftsverbänden bleiben
Problemstellung: Zielsetzung des Gesetzes ist es, als Schutz gegen unseriöse Abmahnvereine die Anforderungen an die Abmahn- und Klagebefugnis (Aktivlegitimation) auch für Verbände zu erhöhen. Der Regierungsentwurf (§8a Abs. 2 Nr. 1 UWG-RegE) senkt im Gegenteil die Anforderungen ggü. der aktuellen Rechtslage (§8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) durch eine Auflösung des bislang gültigen Branchenbezugs, der ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Verbandsmitgliedern und dem Abgemahntem voraussetzte: eine erhebliche Anzahl von Mitgliedsunternehmen, die Waren und Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf muss ein abmahnender Verein zukünftig nicht mehr ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Verbandsmitgliedern und Abgemahnten begründen, es genügt, wenn er lediglich 75 Mitglieder hat und „die Interessen der Mitglieder“ berührt sind. Objektive, gerichtlich überprüfbare Kriterien für die Aktivlegitimation zum Schutz gegen Rechtsmissbrauch sind nicht mehr vorhanden. Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsnorm wird die Gerichte nachhaltig beschäftigen und zu einer deutlichen Zusatzbelastung führen. Aus unerfindlichen Gründen wurde hier der bislang effektivste Schutzmechanismus im UWG gegen Abmahnmissbrauch eliminiert.
Damit wurde eine neue Gesetzeslücke geschaffen, die Missbrauch durch unseriöse Abmahnvereine erheblich erleichtern wird, deren Geschäftsmodell sich schon jetzt dahin entwickelt, einen bunten Mitgliedermix zu akquirieren (gerne auch Ebay-Gemischtwarenhändler), um dann mit wenigen Mitgliedern branchenübergreifend abmahnen zu können.
Lösungsvorschlag: Die Anforderungen an die Aktivlegitimation von Verbänden nach geltender Rechtslage sind unbedingt beizubehalten (erhebliche Anzahl von Mitgliedsunternehmen, die Waren und Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben). Flankierend ist ein vorgerichtlicher Auskunftsanspruch der Abgemahnten zu den Verbandsmitgliedern vorzusehen, um eine vorgerichtliche Überprüfung der Aktivlegitimation möglich zu machen.
III. Zusätzliche Kontrollmöglichkeiten des BfJ unerlässlich
Problemstellung: Die Eintragung in eine Liste unter Aufsicht durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) und die regelmäßigen Kontrolle des Abmahnverhaltens der gelisteten Verbände über Berichts- und Mitteilungspflichten (§8a Abs. 4 Nr. 3 UWG-RegE i.V.m. §§4ff UKlagG-RegE) sind theoretisch sinnvoll. Jedoch beruhen die Angaben ausschließlich auf reinen Selbstauskünften der Verbände und sind letztlich vom BfJ nicht wirksam zu kontrollieren.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich bei Abmahnmissbrauch inzwischen um ein Millionengeschäft handelt, einzelne Wirtschaftsverbände durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Betruges und Falschaussage an Eides statt auffallen, und die Entdeckung unwahrer Angaben aufgrund fehlender Kontrollmöglichkeiten des BfJ kaum befürchtet werden muss, ist das Instrument der Selbstauskunft nicht effektiv, um schwarze Schafe wirksam zu kontrollieren. Hier verläuft ein Grenzbereich zur Wirtschaftskriminalität und das BfJ muss mit den ihm zur Verfügung stehenden Eingriffsmöglichkeiten und Kontrollinstrumenten notwendigerweise auf Augenhöhe gebracht und handlungsfähig gemacht werden.
Lösungsvorschläge:
· Das BfJ sollte die Berechtigung erhalten, im Verdachtsfall zum Abgleich der Selbstauskünfte die Bank-/Kontoauszüge sowie über die Finanzämter die Steuerunterlagen anzufordern.
· Einführung eines einfachen Online-Melderegisters für Abmahnungen als eine effektive, kostengünstige und bürokratiesparende Maßnahme (Konzept siehe Anlage). Dieses würde Informations- und Kontrollmöglichkeiten für das BfJ und auch für die Gerichte gewährleisten, die Arbeit des BfJ erheblich vereinfachen, sowie über eine verbesserte Transparenz Anreize zu einem rechtskonformen Verhalten setzen und damit einem abnehmenden Missbrauch und einer entsprechender Entlastung der Wirtschaft und der Gerichte führen. Der zeitliche Aufwand für den Abmahner entspricht dem eines Einkaufs bei Amazon.
Vorschlag für die Umsetzung die Umsetzung eines Online-Abmahnregisters:
Ein Melderegister für Abmahnungen schafft durch Transparenz einen starken Verhaltensanreiz zu rechtskonformen Verhalten und stellt ein effektives Informations- und Kontrollinstrument gegen Abmahnmissbrauch für das BfJ und die Gerichte dar. Gleichzeitig wird eine Datenbasis geschaffen, die Informationen über das Ausmaß und die Entwicklung des Abmahnwesens erlaubt und auch eine Grundlage für eine Evaluierung des aktuellen Gesetzes liefert, die ansonsten über aufwendige und vermutlich im Hinblick auf das Ergebnis nicht annähernd so genaue Forschungsvorhaben erarbeitet werden müsste.
Der Prozess selbst dauert für den Abmahnenden nur einige Minuten und stellt im Rahmen des Gesamtprozesses der Erstellung einer Abmahnung nur eine sehr geringfügige Zusatzbelastung dar. Im Hinblick auf den Erfüllungsaufwand für qualifizierte Wirtschaftsverbände wäre die Meldepflicht ggü. der jetzt vorgeschlagenen Berichts- und Mitteilungspflichten im Wesentlichen neutral, da die entsprechenden Angaben ohnehin geliefert werden müssen und das BfJ die Einzelmeldungen über die Datenbank einfach statistisch aggregieren kann. Dem zusätzlichen Erfüllungsaufwand aus der Meldepflicht für Mitbewerber stehen aufgrund der erhöhten Transparenz sinkende Anreize zu missbräuchlichen Abmahnungen - und durch die damit verbunden sinkenden Fallzahlen - eine Entlastung der Wirtschaft und eine verminderte Inanspruchnahme der Gerichte gegenüber.
Im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse wären also die Kosten einer Meldepflicht (z.B. Kosten für Implementierung einer IT-Lösung, Aufwand der Meldepflichtigen) gegenzurechnen den Kostenersparnissen, die durch eine Meldepflicht realisiert werden können (sinkende Fallzahlen aufgrund größerer Transparenz für missbräuchliche Abmahnungen, Entlastung der Wirtschaft, geringere Inanspruchnahme der Gerichte, geringerer Verwaltungsaufwand für das BfJ, Einsparung von Ausgaben für Forschungsvorhaben zum Abmahnwesen etc.). Die Auswertung der aggregierten Daten zum Abmahnwesen sollte jährlich im Internet veröffentlicht werden.
Umsetzung (Beispielhafter Prozess)
·Abmahnungen sind durch den Abmahner (Mitbewerber, Wirtschaftsverband) online bei einem Melderegister zu melden.
·Das Register könnte durch das BfJ oder eine unabhängige Einrichtung betrieben werden.
·Eine Abmahnung ist nur wirksam, wenn sie dort gemeldet wurde. Der Abmahnende hat im Abmahnschreiben darauf hinzuweisen und auch einen Prüfcode zur Verifizierung anzugeben (s.u.)
·Zum Registrieren ist eine einmalige Registrierung des Nutzers (RA, Verband, ...) mit einigen Stammdaten nötig (double-opt-in)
·Nach dem Login ist für jede erteilte Abmahnung eine Maske mit wenigen Angaben auszufüllen, getrennt nach Erst- und Folgeabmahnung. Über einzugebende Informationen wie Abmahngrund, Höhe des Aufwendungsersatzes und der vereinbarten Vertragsstrafe etc. entscheidet das BfJ auf der Grundlage der in §4b UKlaG-RegE zu Berichts- und Mitteilungspflichten.
·Man erhält anschließend eine Registernummer, die aus zwei Teilen besteht:
oDie Abmahnnummer, z.B. 12345
oEine erweiterte Abmahnnummer mit Prüfcode, z.B. 12345_36b457fb
oLetztere ist auf der Abmahnung anzugeben
·Durch die Eingabe von Abmahnnummer und Prüfcode auf dem Portal kann der Abgemahnte die Registrierung und damit die Gültigkeit der Abmahnung prüfen. Der angehängte Prüfcode wirkt wie ein Passwort.
·Dieser Rückkopplungsmechanismus dient der Verifizierung der Abmahnung sowie der dazu gemachten Angaben und verhindert Missbrauch (z.B. dass der Abmahner die Abmahnnummer einer anderen Abmahnung mehrfach nutzt und damit eine Registrierung vortäuscht)
·Zugleich wird verhindert, dass Unberechtigte auf registrierte Daten zugreifen können oder über die Registrierung und Nachschau hinaus weitere Kommunikation nötig ist
·Abmahnungen ohne gültigen Prüfcode sind ungültig und können ignoriert werden. Abmahner sind verpflichtet, darauf in der Abmahnung hinzuweisen.
·Das Register sammelt verarbeitet die Daten aus den von den Abmahnern gemachten Angaben zu Aufsichtszwecken. Die Abmahner geben ihr Einverständnis dazu mit der Registrierung. Eine Sammlung und Speicherung von Daten der Abgemahnten ist nicht erforderlich.
·Der Prototyp eines solchen Systems könnte relativ kurz realisiert werden. Der Gesamtaufwand für die öffentliche Hand sollte sich in Grenzen halten (IT-Experten gehen nach ersten Schätzungen von 20.000€ aus) und wird vermutlich die Kosten eines Forschungsvorhabens zur Evaluierung des aktuellen Gesetzes nicht übersteigen.
·Der Aufwand für den Abmahner ist die einmalige Registrierung und das Ausfüllen des Formulars sowie das Vermerken von Nummer und Prüfnummer auf der Abmahnung. Für den Abgemahnten dürfte das Validieren des Prüfcodes bei einer Abmahnung noch der geringste Aufwand sein.
·Sofern Wirtschaftsverbände dazu verpflichtet werden, eine kostenlose Vorwarnung auszusprechen, sollte bürokratiesparend darauf verzichtet werden, diese Vorwarnungen registrieren zu müssen.
·Für das BfJ bedeutet ein Melderegister eine erhebliche Arbeitsentlastung und Einsparung personeller Ressourcen bei seinen Aufsichtspflichten, da die im Rahmen der Berichts- und Mitteilungspflichten nach §4b UWG-RegE zu erhebenden Informationen direkt zugeliefert werden und über eine Software einfach aggregiert, aufbereitet und ausgewertet werden können. Das Register könnte auch als ein Frühwarnsystem dienen und ermöglicht zeitnahes Reagieren, wenn ein Verband beispielsweise innerhalb weniger Monate mehrere Hundert bis Tausend Abmahnungen zu den immer gleichen Bagatell-Verstößen versendet, wie dies in der Vergangenheit geschehen ist.
·Die Meldepflicht könnte theoretisch auch an den Abgemahnten ansetzen. Auch in diesem Fall wäre aber ein Rückkopplungsprozess zur Verifizierung des Abmahnfalles erforderlich. Abmahner müssten für jeden Abmahnfall ebenfalls einen vom Online-Register generierten Prüfcode verwenden, der auf der Abmahnung anzugeben ist und der dem Abgemahnten den Zugang zum Register gewährt. Ob die Abgemahnten die Eintragungen in der Qualität leisten, wie Rechtsanwälte oder Verbände, ist fraglich. Auch setzen die Berichts- und Meldepflichten nach §4b UWG-RegE ja ausdrücklich am Abmahner an.
·Das Register wäre ebenfalls eine wichtige Informationsquelle für Gerichte für Indizien zum Nachweis einer Geltendmachung von Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8b II Nr. 1 UWG-RegE. Diese zentrale Regelung gegen Abmahnmissbrauch kann aufgrund der hohen und nicht zu leistenden Beweislast für den Abgemahnten häufig nicht zur Anwendung kommen.
Rückfragen zum Konzept: Dr. Andreas Lutz, Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) e.V., Tel. 089/ 5165 7980